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Update Sydney Metro

Fünf für Sydney

Sydney ist Frontrunner in der Metro-Mobilität in Australien. Sehr sicher werden recht schnell Fakten geschaffen. Erfahrene Baukonsortien liefern mit fünf  Tunnelbohrmaschinen von Herrenknecht Durchbrüche am laufenden Band: 31 Kilometer neue Metrotunnel innerhalb von 17 Monaten.

Jurek Szimmuck (rechts) ist sich bewusst: „Der Erfolg ist vor allem dem Teamspirit vor Ort zu verdanken.“

Am Abend des 16. März 2020 kann Herrenknechts Projektmanager Jurek Szimmuck an Sydneys Hafen endlich aufatmen: Nach der Unterquerung des Hafenbeckens absolviert der Mixschild „Kathleen“ den finalen Durchbruch in der zweiten Bauphase von Sydney Metro. Das Schneidrad kommt am Blues Point zum Stehen, in Sichtweite der Hafenbrücke und des weltberühmten Opernhauses. Martin Bell, der Baustellenleiter des Joint Ventures JHCPBG (John Holland CPB Ghella) fasst das Projekt wie folgt zusammen: „Unsere eigenen Leute waren sehr glücklich mit Design und Bedienbarkeit der Maschinen. Wenn die Crew im Untergrund gute Fortschritte macht, kommt sie gerne zur Arbeit. Und dann wird das Projekt zum Erfolg.“ Für Jurek Szimmuck und seine Kollegen sind solche Rückmeldungen entscheidend. So wissen sie, dass Herrenknecht seine Mission auch wirklich erfüllt hat.

Ab dem australischen Frühling 2018, wühlten sich fünf Herrenknecht-TBM auf über 31 Kilometern Strecke durch Hawkesbury-Sandstein. „Eine exzellente Maschinenverfügbarkeit von rund 99 Prozent spricht für sich“, sagt Jurek Szimmuck. „Die Maschinen schafften bis zu 85 Tunnelmeter am Tag und 324 Meter in einer Woche.“ Baucrews und Maschinentechnik haben über fast anderthalb Jahre hinweg Gas gegeben. „Der Erfolg ist dem Teamspirit vor Ort zu verdanken“, so Szimmuck. „Mit unseren Kollegen auf der Kundenseite fühlten wir uns wie in einer großen Baustellenfamilie. Irgendwann haben wir uns blind verstanden und super ergänzt.“ Leonardo Pia, Tunnelmanager des bauausführenden Joint Ventures schrieb dem Herrenknecht-Team: „Der Schlüssel zum Erfolg dieses Projekts lag für mich im menschlichen Faktor. Ihr habt es geschafft, optimal mit uns zu interagieren, von der Geschäftsleitung bis hin zur Baustelle.“

Herrenknecht verbindet mit den Tunnelling-Profis Down Under bereits eine lange gemeinsame Geschichte: 1995 erhielt Herrenknecht den ersten Auftrag für eine TBM mit Großdurchmesser (10,71 Meter) für den Sydney Airport Rail Link. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2000 in Sydney wurde für das internationale Publikum eine neue Schienenverbindung zwischen Flughafen und Innenstadt geschaffen.

„WIR KONNTEN UNS JEDERZEIT DARAUF VERLASSEN, DASS HERRENKNECHT SCHNELL REAGIERT UND DIE NÖTIGEN MODIFIKATIONEN VORNIMMT.“

Martin Bell, Baustellenleiter des Joint Ventures JHCPBG (John Holland CPB Ghella)

Durch die Montage der fünf maßgeschneiderten TBM für Sydney Metro in der Herrenknecht-Tochtergesellschaft in Guangzhou (China) konnte der Transportweg reduziert werden.

Metro mit potenzial

Die Sydney Metro soll nun die Mobilität für über 5 Millionen Menschen transformieren. „Die Unterzeichnung der Tunnelling-Verträge im Jahr 2017 war für mich das Highlight bisher“, sagt Hugh Lawson, der Projektleiter des Bauherren. „Dieser Übergang von der Planung zur Tat war der Lohn jahrelanger, harter Arbeit. Wir hatten damals alle Freudentränen in den Augen.“ Landesweit ist Sydney Metro das größte Infrastrukturprojekt für den öffentlichen Nahverkehr: bis 2024 sollen insgesamt 66 Kilometer neue Metro-Gleise verlegt und 31 Metro-Stationen gebaut werden. Die Strecke wird von den Vororten im Nordwesten, unter den Hafen und Sydney Central Business District hindurch, bis in den Südwesten nach Bankstown führen. In Spitzenzeiten soll die U-Bahn mit führerlosen Zügen bis zu 34.000 Passagiere pro Stunde sicher und pünktlich ans Ziel bringen. „Entscheidend ist aber das Potenzial der Metro“, sagt Hugh Lawson. „Im Gegensatz zu konventionellen Schienenkonzepten, kann die U-Bahn mit der Stadt wachsen. Wir können sie erweitern und die Frequenz erhöhen. Zukünftig könnten Züge sogar im Zweiminutentakt fahren.“ Bisher kommen sie schon alle vier Minuten: Der Abschnitt North West wurde bereits im Mai 2019 eröffnet. Es war die Premiere des ersten U-Bahnsystems auf dem Kontinent.

Herrenknecht lieferte für dieses Großprojekt das komplette Set an Tunnelvortriebsmaschinen für die zweite Bauphase City & Southwest. Der erste Vortrieb erfolgte im Frühling 2018. Für das Joint Venture aus John Holland, CPB und Ghella gingen vier Herrenknecht-Doppelschildmaschinen auf der Strecke unter dem Central Business District hindurch Richtung Südwesten ans Werk. Sie fuhren 14,5 Kilometer Doppelröhren mit 6,96 Metern Durchmesser auf. Bei der Tunnelquerung des Hafens setzte das Joint Venture auf einen Mixschild von Herrenknecht. Mit dieser Technologie war man angesichts der heterogenen Geologie sowie des hohen Wasserdrucks auf der sicheren Seite. So baute die Baucrew mit dem Mixschild „Kathleen“ souverän eine 900 Meter lange Doppelröhre mit 7,04 Metern Durchmesser unter den Hafen von Sydney.

 

Oben: Die Tunnelvortriebsmaschinen wurden in größtmöglichen Modulen nach Sydney verschifft, was die Montage vor Ort deutlich beschleunigte.

Unten: TBM „Nancy“ beim Durchfahren des Bahnhofs Pitt Street.

Australischer anspruch

Die Hafenunterquerung, durch Lehm, Schluff, Sand, Fels und Hawkesbury-Sandstein hindurch, war im Projekt ein besonderer Prüfstein für die Arbeiter und Maschinen. Seit Juli 2019 grub sich der Mixschild „Kathleen“ bei bis zu 35 Metern Überdeckung und einer maximalen Tunneltiefe von 40 Metern unter der Meeresoberfläche durch. Stellenweise betrug der gemessene Wasserdruck 6,0 Bar. Extra dazu befähigte Spezialisten führten planmäßige Werkzeugwechsel am Schneidrad bei rund 4,5 Bar Wasserdruck durch.

Die Geologie am Beginn und Ende der Vortriebsstrecke überraschte aufgrund eines höheren Tonanteils. Dies führte beim ersten Streckenabschnitt zu Verklebungen am Schneidrad, was die Vortriebsleistung etwas drosselte. Mit einer Designanpassung des Schneidrads sowie des Spülkonzeptes reagierte Herrenknecht schnell auf die vorgefundenen Gegebenheiten. Anfang November wurden diese bereits einige Tage nach dem ersten Strecken-Durchbruch an der Baustelle umgesetzt. „Wir konnten uns jederzeit darauf verlassen, dass Herrenknecht schnell reagiert und die nötigen Modifikationen vornimmt“, sagt Martin Bell. Laut ihm hat die Verbesserung den zweiten Vortrieb um sechs bis acht Wochen beschleunigt.

Nach etwa zwei Monaten mit Demontage, Optimierung, Rücktransport zum Startschacht und Neumontage stand die TBM bereit für den nächsten Einsatz. Das Joint Venture konnte den gegenüber dem Bauherren versprochenen Zeitplan einhalten – und das ist in Down Under besonders wichtig. Die hohen australischen Sicherheitsstandards werden durch Herrenknecht bereits beim Design der Tunnelbohranlagen berücksichtigt. Beim Vortrieb der Sydney Metro spielte beispielsweise die Modifikation der Luftfilteranlagen eine tragende Rolle. Da der sogenannte Hawkesbury-Sandstein größtenteils aus Kieselsäure besteht und auftretender Quarzstaub ein Gesundheitsrisiko darstellt, müssen Filter möglichst nah an jeder Staubquelle sitzen. „Genau dazu haben wir uns frühzeitig mit dem Kunden und den Kollegen der australischen Niederlassung zusammengesetzt und entsprechende technologische Lösungen entwickelt und umgesetzt“, so David Salameh, der das Projektmanagement in Schwanau leitet.

„Wir haben vor Ort tausende Arbeitsstunden für Transport und Montage eingespart.“

David Salameh, Leiter des Projektmanagements (Herrenknecht AG, Schwanau)

Nach achtmonatigem Einsatz wird der Mixschild „Kathleen“ für den Rücktransport im Hafen von Sydney verschifft.

Massgeschneiderte Lösungen

Innovatives Engineering und operative Flexibilität bei Aspekten des Designs, der Montage oder in der Logistik helfen, Technik und Vortriebe selbst in wirtschaftlicher Hinsicht zu optimieren. Die Tunnelvortriebsmaschinen wurden vom modernen Herrenknecht-Werk in Guangzhou (China) in größtmöglichen Modulen nach Sydney verschifft. Im Hafen von Sydney hievte der Schiffskran die kompakten TBM-Komponenten auf eine Barkasse. So konnten die Baustellen im Hafengebiet auf sehr kurzem Weg angesteuert werden. Eigens konstruierte Portalkräne am Schacht hoben die bis zu 240 Tonnen schweren Module, um sie dann sicher zur Endmontage in die Tiefe herabzulassen. „Auf diese Weise konnten unser Kunde und wir tausende Arbeitsstunden für Transport und Montage einsparen“, bilanziert Herrenknecht-Ingenieur David Salameh. Die vier Doppelschildmaschinen waren in lediglich sechs Wochen nach Anlieferung an die Baustelle einsatzbereit. Dafür wurden ansonsten zwei bis drei Monate benötigt. Dem Projekt zugutegekommen sei auch die Einbindung von zusätzlichen Einrichtungen und Leistungen rund um die Tunnelvortriebe: Ob H+E für Förderbänder, VMT für Navigationsgeräte oder GTE zur Ergänzung der Baustellencrew, die eingespielten Abstimmungsprozesse der Unternehmen untereinander trugen zum Team-Erfolg bei.

Baustellenleiter Martin Bell kann auf verschiedene Projekte mit Herrenknecht-Technik in Australien, Singapur oder Thailand zurückblicken. „Ich schätze besonders, dass das Unternehmen seinen Kunden wirklich zuhört“, sagt er. Nirgendwo auf der Welt würden derart viele Doppelschildmaschinen verwendet wie in Australien. „Wir hatten schon viel Erfahrung, die wir einbringen konnten.“ Ob die Impulse des Joint Ventures vom TBM-Lieferanten optimal umgesetzt werden, spürt Martin Bell spätestens auf den Baustellen, wo es zur Sache geht. Er arbeitete von Beginn an eng mit David Salameh und seinen australischen Kollegen zusammen.

Charles Howarth, Leiter der australischen Tochtergesellschaft, ist seit 13 Jahren erster Ansprechpartner für Kunden und deren Herausforderungen Down Under.

Auf ein neues!

Wenn die TBM-Schmiede Herrenknecht im boomenden Tunnelling-Business Down Under vorne mitmischt, geht dies auch auf den Herrenknecht-Ingenieur Charles Howarth zurück. Er startete vor 13 Jahren seine Herrenknecht-Karriere bei der Tochtergesellschaft in Brisbane, rund 900 Kilometer nördlich von Sydney. „Unser Kerngedanke ist: Wenn wir auch nicht der billigste Anbieter für Tunnelvortriebstechnik sind, so wollen wir immer die besten Lösungen für das Projekt und unsere Kunden bieten“, sagt er. Im normalerweise gut durchdringbaren Baugrund von Sydney bedeutet das, Technik bereitzustellen, die den Tunnelbauprofis auf der Auftraggeberseite erlauben, konstant hohe Vortriebsraten zu erzielen. „Eine Anforderung des Kunden war es etwa, jeweils 250 Meter Vortrieb ohne Werkzeugwechsel zu schaffen“, so Howarth. „Das ist ehrgeizig angesichts des enorm abrasiven Hawkesbury-Sandsteins. Es wurde dank extrem widerstandsfähiger Schneidrollen von Herrenknecht trotzdem erreicht.“ Diese seien mit Schneidringen aus projektspezifisch abgestimmten Materialkompositionen versehen gewesen.

Beim Projekt Sydney Metro beeindruckten Charles Howarth die hervorragende Kommunikation und souverän abgestimmte Gesamt-Logistik. Die Herrenknecht-Tochtergesellschaft trainierte das Personal des Kunden vor seinem Einsatz. Hierfür nutzte Herrenknecht einen Erektorsimulator für den Ringbau, ließ ein bestehendes Schneidrad aus Brisbane anliefern, um Fachkräfte auf anstehende Werkzeugwechsel vorzubereiten und koordinierte Workshops mit erfahrenen Maschinenführern. Aus Sicht von Charles Howarth sind derartige Trainingsprojekte und der gegenseitige Lernprozess eine Win-Win-Situation: „Die Projektbeteiligten haben ihre Kräfte vereint und sind dann schnell gemeinsam an dem Projekt gewachsen.“ Eines der nächsten Down-Under-Kapitel wird in Brisbane geschrieben. Dort wird mit dem Bauvorhaben Cross River Rail die nächste unterirdische Bahnverkehrsinfrastruktur Australiens erstellt. Zwei Doppelschildmaschinen aus dem Sydney Metro-Projekt werden komplett aufbereitet und bei Cross River Rail, dem jüngsten in einer schnell wachsenden Reihe von australischen Bahnverkehrsprojekten, eingesetzt.“