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ALL AROUND #4

CONNECTING CONTINENTS

Echtes Teamwork und Hightech von Herrenknecht
bringen Asien und Europa unter dem Meer zusammen.

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 Hightech unter dem Bosporus 

ULTIMATIVER TUNNEL VORTRIEB

Vor 150 Jahren reine Utopie – heute Realität.
Eine Tunnel-Verbindung zwischen den Kontinenten in
100 Metern Tiefe. Mensch und Maschine leisten Pionierarbeit in Istanbul.

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 HIGHTECH UNTER DEM BOSPORUS 

ULTIMATIVER TUNNEL VORTRIEB

In Istanbul wird Tunnelbau-Geschichte geschrieben.
Rund 16 Monate grub ein türkisch-südkoreanisches Joint Venture
mit einer Tunnelbohrmaschine von Herrenknecht eine Röhre
unter den Bosporus. Die beispiellose Kombination aus komplexen
Herausforderungen und Umgebungsdrücken von bis zu 11 bar hielt die Baustellen-Teams rund um die Uhr in Atem.

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Es war ein Traum, wie ihn nur Sultane träumen konnten: Ein Tunnel unter dem Bosporus, eine Verbindung zwischen den Kontinenten. 1861 hatte Abdülmecid I., Herrscher über das Osmanische Reich, die gewagte Idee, das fehlende Stück Seidenstraße in Istanbul einfach unter der Meerenge hindurch zu graben. Sultan Abdülhamid II. ließ 1891 Studien dazu anfertigen. Das Ergebnis: nicht machbar. Die Herrscher waren ihrer Zeit voraus.

 

 

 DER TRAUM DES SULTANS 

Rund 150 Jahre später wird der Traum Realität. Eine riesige Tunnelbohrmaschine unterquert für den „Eurasia Tunnel“ die Meerenge am Bosporus. Das Projekt, an dem die Experten der Sultane scheiterten, ist auch heute noch absolute Pionier-Arbeit. „Vor 15 Jahren hätte ich das nicht für möglich gehalten“, erzählt Gert Wittneben, TBM Construction Manager beim bauausführenden Joint Venture YMSK (Yapı Merkezi und SK Engineering & Construction) schmunzelnd. Der passionierte Tunnelbauer mit jahrzehntelanger Expertise war bereits beim Bau der vierten Elbtunnelröhre in Hamburg dabei. Ein Projekt, das um die Jahrtausendwende die Grenzen des Machbaren auslotete. „Damals arbeiteten wir bei einem Druck von 5,5 bar. Heute meistern wir in Istanbul 11 bar. Beeindruckend, wie die Limits in kürzester Zeit immer weiter gepusht werden“, so Wittneben. Dementsprechend interessiert blickt die gesamte Tunnelbauwelt seit Beginn der Arbeiten auf das Leuchtturmprojekt, welches auch den erfahrensten Experten Respekt abnötigt.

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„VOR 15 JAHREN HÄTTE ICH DAS NICHT FÜR MÖGLICH GEHALTEN.“

Gert Wittneben, TBM Construction Manager YMSK Joint Venture

 

Oben: Der Mixschild mit einem Durchmesser von 13,66 m wurde speziell für das Projekt in Istanbul konzipiert und gefertigt.

Unten: Ein Tunnel, der Kontinente verbindet. Täglich sollen bis zu 100.000 Autos zwischen Asien und Europa pendeln.

 EIN TUNNEL ZWISCHEN DEN KONTINENTEN 

Es ist auch 150 Jahre nach dem Traum des Sultans ein Projekt der Superlative: 5,4 Kilometer Tunnel werden gebaut, 3,4 Kilometer verlaufen direkt unter dem Bosporus. Um den Schiffsverkehr nicht zu behindern, wird mit einer speziell konzipierten Tunnelbohrmaschine (TBM) von Herrenknecht gegraben, die ihre Mission im April 2014 in einem Startschacht auf der asiatischen Seite begann. Die TBM vom Typ Mixschild fräste sich mit einem Gefälle von fünf Prozent durch unterschiedliche Bodenschichten hinab bis auf eine Tiefe von 106 Metern unter dem Meeresspiegel, um dann langsam Richtung Europa wieder aufwärts zu fahren.

Am tiefsten Punkt der Trasse herrscht ein Wasserdruck von etwa 11 bar: elffacher Atmosphärendruck. In Kombination mit dem gewaltigen Durchmesser der TBM – sie misst 13,66 Meter, etwa so viel wie ein dreistöckiges Wohnhaus – betrat man damit absolutes technisches Neuland. Noch nie wurde eine so große Röhre unter so hohem Druck mit maschineller Vortriebstechnik gebaut.

 

 

 

Oben: Başar Arıoğlu, Vorstandsvorsitzender der türkischen Baufirma Yapı Merkezi, bezeichnet den Eurasia Tunnel als persönliches Highlight seiner bisherigen Bauprojekte.

Unten: Sicher voran: Durch den hochautomatisierten Vortrieb mit Tunnelbohrmaschinen entsteht der komplette Rohbau des Tunnels in einem Schritt – bei maximaler Sicherheit für Personal und Maschine.

 VERTRAUENSVOLLE PARTNERSCHAFT 

„Dass wir nun den Durchbruch erfolgreich geschafft haben, ist für mich wie ein Traum, der wahr wird“, sagt Başar Arıoğlu. Der 48-Jährige ist Vorstandsvorsitzender der türkischen Baufirma Yapı Merkezi Construction and Industry Inc., die 2008 den Auftrag für den Tunnel erhielt und das anspruchsvolle Bauvorhaben gemeinsam mit der südkoreanischen Firma SK Engineering & Construction Co. Ltd. umsetzt. Arıoğlu hat bereits Highlight-Projekte wie den U-Bahn-Bau von Izmir und Dubai geleitet. Doch der Tunnelbauexperte lässt keinen Zweifel daran, dass die Röhre unter dem Bosporus sein Meisterstück sein wird. „Es war von Anfang an ein schwieriger Weg“, so Arıoğlu.

2008, nach der Auftragsvergabe, bremsten bürokratische Fallstricke das Projekt aus, erzählt Başar Arıoğlu. Als sie aus dem Weg geräumt waren, begann die Suche nach Geldgebern. Das war 2009 und die Finanzmärkte waren gerade kollabiert. Die Banken wurden übervorsichtig und forderten extrem penible Projektdokumentationen und maximale Sicherheitsstandards bei der Bauausführung. „Im Grunde waren diese Hürden aber wichtig für uns, weil wir uns so selbst restlos davon überzeugen konnten, dass wir dieses Projekt wirklich stemmen und sicher ausführen können.“

Die Entscheidung für eine TBM von Herrenknecht fiel 2012. Für Arıoğlu ein wichtiger Schritt: „Mit Herrenknecht hatten wir einen Partner an Bord, dem wir voll vertrauen können.“ Das bewies nicht zuletzt ein aufgrund der technisch beispiellosen Anforderungen ausgesprochenes Angebot aus Schwanau. „Das war ein klares Signal“, sagt Başar Arıoğlu. „Herrenknecht würde diesen anspruchsvollen Weg gemeinsam mit uns bis zum Ende gehen.“

 

 

„MIT HERRENKNECHT HATTEN WIR EINEN PARTNER AN BORD, DEM WIR VOLL VERTRAUEN KÖNNEN.“

Başar Arıoğlu, Vorstandsvorsitzender Yapı Merkezi

Blick in den TBM-Startschacht auf der asiatischen Seite. Knapp 3,5 km des neuen Eurasia Tunnels verlaufen direkt unter dem Bosporus.

 KÜHLEN KOPF BEWAHREN 

200 Meter vor dem Durchbruch sitzt Özgür Yurtaydin in seinem Büro in einer Containerburg am Rande der Baustelle des „Istanbul Strait Road Tube Crossing Project“. Es ist August. Das Außenthermometer zeigt 38 Grad im Schatten. In Yurtaydins Büro surrt die Klimaanlage, 20 Grad. Gut so: Der Herrenknecht-Projektmanager muss einen kühlen Kopf bewahren, bis die Röhre für den gigantischen Eurasia Straßentunnel fertig ist.

„ICH BIN EINFACH NICHT DER TYP, DER SAGT: DAS IST NICHT MEIN PROBLEM.“

Özgür Yurtaydin, Herrenknecht-Projektmanager

Özgür Yurtaydin, 31, arbeitet seit neun Jahren bei Herrenknecht als Projektmanager auf weltweiten Baustellen.

Jeans, Holzfällerhemd, Fünftagebart: Auf der Straße sähe man Özgür Yurtaydin nicht unbedingt an, dass er ein wichtiges Rad im Getriebe des Megaprojekts dreht. Mit gerade mal 31 Jahren ist der studierte Bauingenieur Herrenknecht-Projektmanager im „Istanbul Strait Road Tube Crossing Project“. Und wer Yurtaydin, der bereits seit neun Jahren für Herrenknecht tätig ist, ein wenig beobachtet, der versteht schnell, was ihn zu dieser Rolle befähigt: Er strahlt Ruhe aus, wenn andere hektisch werden. Er fällt Entscheidungen, wenn andere noch grübeln. Und er geht keiner Aufgabe aus dem Weg. „Ich bin einfach nicht der Typ, der sagt: Das ist nicht mein Problem.“ Eine Einstellung, die ihm in diesem Projekt viele 14-Stunden-Tage beschert hat. „Das ist eben so“, sagt er. „Hier gibt es seit dem ersten Tag nur ein Ziel für uns: Wir müssen diesen Job perfekt machen.“

 

Oben: Blick in die nahe Zukunft: So wird der Querschnitt des neuen Eurasia Tunnels aussehen, wenn er 2016 fertig gestellt und ausgebaut ist.

Unten: Die Erste Bosporusbrücke ist heute chronisch verstopft. Der neue Tunnel soll den Verkehr, auch auf der Brücke, wieder fließen lassen.

 

 ENTLASTUNG FÜR DEN STADTVERKEHR 

Die schiere Größe der Röhre macht den Bau nicht eben einfacher. Doch nur mit diesem Durchmesser kann der Eurasia Tunnel seine Aufgabe erfüllen: Rund 100.000 Autos am Tag sollen ab Ende 2016 auf zwei übereinanderliegenden Fahrbahnen zwischen den Kontinenten hin- und herwechseln. Eine Summe, die weitreichende Folgen für den Verkehr in der Stadt haben wird. Vor allem Pendler aus dem Süden, die derzeit die chronisch verstopfte Erste Bosporusbrücke im Zentrum nehmen müssen, können dann auf direktem Weg das Ufer wechseln. In der Rush Hour kann das die Fahrzeit vieler von bis zu 100 auf 15 Minuten verkürzen.

Auch die weiter nördlich gelegene Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke, derzeit das zweite Nadelöhr im Autoverkehr zwischen den Kontinenten, wird entlastet. Wenn alles nach Plan läuft, wird die Röhre helfen, den stockenden Verkehr in der 18-Millionen-Metropole wieder zum Fließen zu bringen. Ein Umstand, der neben einer enormen Zeitersparnis für die drei Millionen Bosporus-Pendler noch einen weiteren Vorteil bringt: eine deutliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der Stadt.

 

 

Als Antwort auf die möglichen Erdbebenrisiken in Istanbul wurden im Verlauf der Trasse spezielle seismische Ausgleichs-Ringe eingebaut, die der Tunnelröhre eine gewisse Flexibilität verleihen.

 DER ALLROUNDER UNTER DEN   TUNNELBOHRMASCHINEN 

„Man kann noch so viel Energie und Aufwand in die Projektplanung stecken – ein gewisses Restrisiko bleibt immer“, sagt Naim Isli, Projektmanager bei Yapı Merkezi. „Aber wir sind Ingenieure: Wenn unerwartet Probleme auftreten, müssen wir sie eben lösen.“ Wie die Sache mit der „Fault Zone“. Nur 17 Kilometer von der Röhre entfernt liegt eine geologische Störzone, an der sich Erdstöße besonders auswirken können – was durch die Lage von Istanbul nahe zweier tektonischer Platten keine Seltenheit ist. Die Lösung: zwei spezielle Tunnelringe, die im Falle eines Erdbebens wie Gelenke arbeiten. „Sie verleihen der Röhre die notwendige Flexibilität“, so Isli.

Mehr Sorgen bereitete ihm die Beschaffenheit des Bodens, sagt der passionierte Tunnelbauer und deutet auf eine technische Zeichnung an seiner Bürowand. Die Skizze zeigt den Untergrund unter den Wassern des Bosporus samt Tunnel. Die Röhre läuft durch einen bunten Flickenteppich – jede Farbe steht für ein anderes Gestein, durch das die TBM sich fressen muss. „Wir haben es abwechselnd mit weichen Baugründen, Sandstein, Tonstein, vulkanischem Gestein und Fels zu tun, immer unter einem gewaltigen Wasserdruck“, sagt Isli.

„WIR SIND INGENIEURE: WENN UNERWARTET PROBLEME AUFTRETEN, MÜSSEN WIR SIE EBEN LÖSEN.“

Naim İşlı, Projektmanager Yapı Merkezi

Naim İşlı, Projektmanager bei Yapı Merkezi, ist verantwortlich für die effiziente Planung und Ausführung des Bauvorhabens unter dem Bosporus. 

 

 

Oben: Zentralperspektive auf das Schneidrad des Mixschilds von Herrenknecht. Zur Bewältigung der komplexen Bodenbedingungen sind verschiedene Abbauwerkzeuge wie Schälmesser und Schneidrollen installiert.

Unten: Große Gesteinsbrocken werden vor dem Rechen vom Zangenbrecher zerkleinert, bevor die Förderleitung das Material absaugen kann.

Ein Untergrund, der nur mit einem Mixschild bezwungen werden kann – dem Allrounder unter den TBMs. Sein Schneidrad ist mit verschiedenen Werkzeugen für alle Eventualitäten ausgestattet: Große Schälmesser kratzen weicheren Untergrund von der Ortsbrust ab, von wo er – mit einem Wasser-Ton-Gemisch vermengt – durch einen hydraulischen Förderkreislauf zur Separationsanlage im Startschacht gespült wird.

Stößt die Maschine auf härteren Fels, verrichten die 35 Doppel-Schneidrollen den Großteil der Arbeit. Die mit Verschieberohr rund eine Tonne schweren 19-Zoll-Disken werden über die Verschiebezylinder des Schneidradantriebs an die Ortsbrust gepresst und rollen daran ab. Einzelne Stücke, so genannte Chips, brechen aus dem Fels. Kleinere Stücke werden direkt durch einen Rechen vom Spülkreislauf angesaugt und abtransportiert. Der Rest wird von einem Zangenbrecher vor dem Rechen zerkleinert, der – wie ein mächtiger hydraulischer Nussknacker – selbst große Brocken mühelos zerbröselt.

Gleichzeitig dient der hydraulische Kreislauf zu dem Aufbau und der Regelung des so genannten Stützdrucks gegen den anstehenden Wasser- und Erddruck des Bosporus. Ein von Herrenknecht weiterentwickeltes Prinzip, das sich weltweit bereits unzählige Male bewährt hat.

 

Oben: Bei großen Durchmessern können die Schneidradarme der TBM für einen drucklosen Werkzeugwechsel begehbar ausgeführt werden.

Unten: Vom Steuerstand aus hat der Maschinenfahrer sämtliche Vortriebsparameter in Echtzeit im Blick – dazu zählt auch die permanente Dreh- und Temperaturüberwachung der Schneidrollen.

 HERAUSFORDERUNG WERKZEUGWECHSEL 

Die Mixschild-Technologie erlaubt auch in der extrem anspruchsvollen Umgebung unter dem Bosporus einen Vortrieb von 8 bis 10 Metern in 24 Stunden. Die rauen Bedingungen und die hohen mechanischen Belastungen fordern jedoch ihren Tribut: Auch das beste Material kommt nicht ohne Verschleiß davon. Obwohl die Schneidrollen aus hochlegiertem, ultrahartem Stahl sind, müssen sie regelmäßig getauscht werden.

Eine Aufgabe, die Herrenknecht beim Design der Maschine für den Eurasia Tunnel vor eine echte Herausforderung stellte: Auch bei dem enormen Druck von 11 bar müssen die Abbauwerkzeuge schnell und unkompliziert gewechselt werden können. Hierzu griff das Konstruktions-Team von Herrenknecht auf das Konzept der begehbaren Schneidradarme zurück. Dieses hat sich bereits bei früheren Projekten in Hamburg oder Schanghai erfolgreich bewährt – allerdings unter deutlich geringeren Druckverhältnissen. Für den riesigen Mixschild unter dem Bosporus wurden die Schleusensysteme der Abbauwerkzeuge eigens weiterentwickelt ( Mehr dazu hier)  Das Ergebnis: Auch in Istanbul konnten Schneidrollen und Schälmesser von der Crew unter atmosphärischen Bedingungen problemlos und sicher ausgetauscht werden.

Allein rund 400 Schneidrollen wurden auf der gesamten Vortriebsstrecke ersetzt. Wann ein Wechsel ansteht, zeigen verschiedene Detektoren, die Drehbewegung und Temperatur der Rollen messen, rechtzeitig an. „Anfangs dauerte es sieben oder acht Stunden, aber durch die gewonnene Routine wechseln wir eine Schneidrolle jetzt in nur zwei oder drei Stunden“, sagt Naim Isli.

 

 

Dank des innovativen Schneidrad-Designs können die Abbauwerkzeuge unter normalen Druckverhältnissen gewechselt werden. Trotzdem sind Teamarbeit und Ausdauer bei den hohen Temperaturen im vorderen Maschinenbereich Grundvoraussetzung.

 

Oben: Zum Sättigungstauchen ist ein lückenloser Überdruck-Transportweg notwendig. Der Transfer-Shuttle muss durch den gesamten Nachläuferbereich der Maschine transportiert werden.

Unten: Blick in das Innere eines Transfer-Shuttles, das für maximal 4 Personen ausgelegt ist.

 EIN PROBLEM – UND SEINE LÖSUNG 

Wer ein so anspruchsvolles Projekt auf technischem Neuland zum Erfolg führen will, muss auf alle möglichen Szenarien – und seien sie auch noch so unwahrscheinlich – vorbereitet sein. Diese Erfahrung machten die Teams um Naim Isli und Özgür Yurtaydin auch in Istanbul. Die enormen Durchflussmengen an abgebautem Material, der hohe Druck, große Felsbrocken, die im Inneren der Abbaukammer herumgeschleudert werden – all das setzt den Komponenten der Maschine kontinuierlich zu. Nach etwa der Hälfte der Wegstrecke wurde an Rechen und Zangenbrecher Materialverschleiß festgestellt.

„Allen Beteiligten war sofort klar, dass wir die Teile nun so schnell es geht reparieren müssen“, sagt Isli. Eine Herkules-Aufgabe: Rechen und Zangenbrecher befinden sich in der Abbaukammer, die unter hohem Druck steht. Sie kann zu Wartungs- und Reparaturzwecken nur von professionellen Sättigungstauchern betreten werden. Mit Atemluftgeräten ausgestattet drangen die Spezialisten über Schleusen in das Herz der Maschine vor. Drei Wochen lang schufteten die Männer bei etwa 9 bar Druck in Bereichen, zu denen Menschen für gewöhnlich keinen Zutritt haben. Die Nächte verbrachten sie in speziellen Kammern außerhalb des Tunnels, die ebenfalls unter Druck stehen. Zum sicheren Transport der Taucher in den und aus dem Tunnel war die TBM mit allem nötigen Spezial-Equipment ausgestattet – inklusive Überdruck-Transfer-Shuttle. „Bei solchen Pionier-Projekten braucht man immer mehrere technische Rückfallebenen, um für alle Fälle gerüstet zu sein“, sagt Gert Wittneben. „Die Herrenknecht-TBM hatte alles Notwendige an Bord, die Technik hat sich bewährt – sowohl damals in Hamburg als auch heute wieder in Istanbul“.

„DIE GEMEINSAME LÖSUNG DER HEIKLEN SITUATION HAT UNS ALLE NOCH ENGER ZUSAMMENGESCHWEISST.“

Özgür Yurtaydin, Herrenknecht-Projektmanager

Oben: Im hinteren Bereich der Maschine werden die Rohrleitungen des Förderkreislaufs verlängert – meistens parallel zum Ringbau.

Unten: Beim Istanbul Strait Crossing Project wird auf der Maschine – ganz traditionell – in den Pausen Schwarztee serviert.

Dann die Erfolgsmeldung: Die Komponenten sind repariert, die Maschine kann wieder anfahren. „Die Männer haben in der kurzen Zeit wirklich tolle Arbeit geleistet“, sagt Özgür Yurtaydin und betont: „Dass wir eine so heikle Situation gemeinsam gelöst haben, hat uns, die Teams von Herrenknecht und Yapı Merkezi, noch enger zusammengeschweißt. Spätestens nach dieser Erfahrung sind wir hier wie eine große Familie.“

 

 

 DAS ZIEL IN SICHT 

Am Nachmittag greift Yurtaydin seinen Helm vom Garderobenhaken und macht sich auf den Weg zur TBM, die stumm im Fels liegt. Sie ruht, weil im Tunnel ein Trafo für eine Pumpe eingebaut wird. Die Arbeiter auf der Maschine nutzen die wertvolle Zeit. Im Schutz des Schildmantels verschrauben sie die Tübbinge eines neuen Betonrings. Und im hinteren Teil der TBM, dem Nachläufer, verlängern sie die zwei Rohre des hydraulischen Förderkreislaufs. Eine halbe Stunde später ist alles verschraubt und verschweißt. Die Männer werfen die TBM wieder an. Rund 200 Meter fehlen noch. Noch 25 Tage? Noch 23? Özgür Yurtaydin schmunzelt „In meinem Büro laufen schon die Wetten.“ Das Ziel ist zum Greifen nah: Eine der anspruchsvollsten Tunnelmissionen aller Zeiten steht vor dem finalen Abschluss. Der Traum des Sultans geht in Erfüllung.

 

 

 Dank Teamwork und Willensstärke 

GEMEINSAM ZUM ZIEL

Voller Tatkraft waren Tunnelexperten aus aller Welt gemeinsam hoch konzentriert bei der Sache. Aus allen spricht wahrer Stolz, bei einem der anspruchsvollsten Projekte dabei gewesen zu sein.

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 Mechaniker 

David Lynch

Ich komme aus Middlesbrough in Nordengland und arbeite seit Jahren für Herrenknecht in verschiedenen Ländern, zumeist in Europa.

„Das ist eine besondere Aufgabe, denn wir haben es mit einer wirklich neuartigen Maschine zu tun. Ein rückwärtig begehbarer Bohrkopf – das ist für die meisten hier absolutes Neuland.“

David Lynch, Mechaniker

 

 

Ich war schon in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Holland und Belgien tätig. Seit etwa anderthalb Jahren kümmere ich mich um die TBM in Istanbul. Und bei aller Erfahrung, die ich in den Jahren gesammelt habe, muss ich sagen: Das ist eine besondere Aufgabe, denn wir haben es mit einer wirklich neuartigen Maschine zu tun. Ein rückwärtig begehbarer Bohrkopf – das ist für die meisten hier absolutes Neuland. An dieses Projekt werde ich mich noch lange erinnern, egal, wo mich der nächste Tunnel irgendwo in Europa hinführt. 

 

 

 Servicekraft 

Ritvan Oren

„Für uns Türken ist der Schwarztee ein Stück Lebensqualität.“

Ritvan Oren, Servicekraft

Ritvan Oren bei der Zubereitung des traditionellen Schwarztees

Ich mache hier unten sauber und kümmere mich darum, dass es immer Tee oder Kaffee gibt. Vor allem der Schwarztee ist wichtig. Ein Ritual, das zum Tag dazu gehört. 

 

Aber hier unten ist er mehr als das: Er ist ein Stimmungs-Aufheller. Die Männer arbeiten in langen Schichten tief unter der Erde. Es gibt kein Sonnenlicht. Es ist heiß. Da wirkt ein Glas Schwarztee mit Zucker Wunder – wenn er gut gemacht ist. 


Wie ich den Tee koche, ist mein Geheimnis, aber etwas kann ich verraten: Der Tomurcuk, der türkische Schwarztee, ist ein wenig staubig. Man muss ihn mit kaltem Wasser abspülen und ihn anschließend mit ein wenig Earl Grey vermischen. Dann wird er so, wie die Männer ihn mögen. Das sehe ich an ihrem Lächeln, wenn ich mit dem Tee-Tablett komme. So ein Tee macht sie glücklich, und das ist doch die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Projekt, oder?

 Sicherheitsingenieur 

Yakup Yilmaz

 

13,66 Meter Durchmesser! Allein der Bohrkopf, den wir in den Schacht hinuntergelassen haben, wiegt 400 Tonnen. Das sind Größenordnungen, die einem Respekt einflößen. 

  

„Ich habe schon auf einer Reihe von Tunnelbaustellen gearbeitet, aber so eine TBM habe ich noch nicht gesehen. “

Yakup Yilmaz, Sicherheitsingenieur

 

 

 

Doch das Wichtigste sind die Menschen, die hier arbeiten. Ihre Sicherheit ist das höchste Gut. Deshalb führen wir täglich Schulungen zum richtigen Verhalten im Tunnel durch. Wir prüfen regelmäßig den Zustand von Material und Maschinen – da muss einfach alles perfekt funktionieren. Alle Arbeiter hier halten sich strikt an die Sicherheitsanweisungen – deshalb hatten wir bis jetzt auch keinen einzigen nennenswerten Unfall! 

 

 

 

 Überwältigender Vortrieb 

11BAR

Wasserdruck, 13,66 Meter TBM-Durchmesser, wechselhafte Bodenbedingungen, Erdbebenrisiko: Trotz beispielloser Kombination an Projekt-Herausforderungen schafft der Herrenknecht-Mixschild am 22. August 2015 den Durchbruch.

 Enormer 
 Zeitgewinn 

> 100.000

Stunden pro Tag (!) werden alle Bosporus-Pendler in Istanbul künftig insgesamt einsparen. Ab Ende 2016 reduziert sich die Fahrzeit zwischen Europa und Asien durch den 5,4 km langen Eurasia Tunnel drastisch.

 Schneller 
 Wechsel 

400

Schneidrollen wurden im Verlauf der Tunnelarbeiten am knapp 400 t schweren Schneidrad mit steiler Lernkurve sicher ausgetauscht. Die Wechselzeit pro Disk verringerte sich von anfänglich 7-8 auf nur noch 2-3 Stunden.

 

 

 Kurze 
 Teepause 

120.000

Tassen Schwarztee hat Ritvan Oren im Laufe der 16-monatigen Vortriebszeit in etwa an seine Crew-Kollegen auf der TBM ausgeschenkt. Die Rezeptur für das beliebte Pausengetränk bleibt sein Geheimnis.

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